top of page
Aktuelles

Nikkor-Faszination


Auch wenn heutzutage der Fokus eher auf den Kameras von Nikon liegt, sind es vor allem auch die Objektive des japanischen Herstellers gewesen, die den Ruhm der Marke begründet haben. Seit den 1940er-Jahren heißen die Nikon-Objektive „Nikkor“ und bereits in den 1950er-Jahren verdienten sich die Objektive der damaligen Nippon Kokagu K. K. in den USA einen hervorragenden Ruf. Als Entdecker der Nikkore gilt der amerikanische Fotoreporter David Douglas Duncan, der als Berichterstatter für die Zeitschrift „LIFE“ den Korea-Krieg dokumentierte und in Tokio, der damaligen Nachrichtenzentrale der amerikanischen Pressefotografen, mehrere Nikkore für seine Schraubleica erwarb. Vor allem das seit 1948 hergestellte Nikkor 2.0/85 beeindruckte „DDD“ und die LIFE-Redaktion gleichermaßen wegen seiner außergewöhnlich guten Abbildungsqualität. Manche Nikon-Kenner bezeichnen dieses Objektiv als das „schärfste Gebrauchsobjektiv“ der 1950er-Jahre. Ob das zutreffend ist, sei mal dahingestellt. Eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die Original-Objektive von Leitz zur eigenen Leica oder die Zeiss-Objektive für die Contax waren die Nikkore in den USA auf jeden Fall. Speziell die 85er-Brennweiten, wovon Nikon im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Varianten herausbrachte, wurden zu den Stars im Objektiv-Angebot: Das gilt beispielsweise für das zur Nikon F entwickelte und ab 1964 erhältliche Nikkor 1.8/85mm, das laut Nikon-Experte Peter Braczko „für viele professionelle Fotografen...der Grund (war), auf Nikon umzusteigen“ (Nikon-Handbuch, Seite 4-61). Der moderne Nachfolger, das A(uto)F(okus)-Nikkor 1.8/85mm von 1988, war bis zur Vorstellung des aktuellen Nikkor AF-S G 1.8/85mm ein bei Amateuren und Profis gleichermaßen hochgeschätztes Objektiv. Wenn die Profis nicht die lichtstärkeren Ausführungen Nikkor AF-D 1.4/85mm oder das Manuell-Fokus Objektiv Nikkor 1.4/85mm (auf dem Bild an einer Nikon F2 zu sehen) bevorzugten. In den Analog-Zeiten war Lichtstärke speziell für das Ablichten von Hallensport oder Bühnenfotos praktisch unverzichtbar. Folgerichtig brachte Nikon immer wieder solche Lichtriesen heraus, die recht schnell den Weg in die Fototaschen der Pressefotografen fanden. Neben dem bereits genannten Nikkor 1.4/85mm von 1981 wären noch das Nikkor 2/135 von 1975 und das ebenfalls ab 1981 gebaute Nikkor 1.8/105mm erwähnenswert. Diese Objektive sind heute nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich – Nikon stellte den Großteil seiner MF-Objektiv-Produktion 2006 ein -, gleichwohl immer noch gefragt. An den professionellen DSLRs von Nikon lassen sich die alten Objektive mit geringen Einschränkungen – nur Zeitautomatik und kein Autofokus – nämlich weiterverwenden. Speziell die früheren Superstars im Objektiv-Portfolio wie das Nikkor 1.4/85mm kommen auch an einer D800/D810 oder einer D4 zum Einsatz und können durchaus überzeugen. Allerdings sollten Sie nicht jede Jubelarie, wovon es im Internet so einige gibt, unbesehen glauben. Aus eigener Erfahrung – ich habe selbst neun MF-Nikkore, die ich an der D800 verwende – weiß ich genau über die immer noch vorhandenen Stärken, aber auch augenfälligen Schwächen dieser Nikkore Bescheid. Ein paar meiner Lieblinge möchte ich Ihnen kurz vorstellen:


1. Nikkor 1.4/85mm AiS: Dieses Objektiv war das erste 85er dieser Lichtstärke des Weltmarkts und wurde über den langen Zeitraum von 25 Jahren produziert – so beliebt und hoch angesehen war dieser Lichtriese mit der gewaltigen Frontlinse. Mein eigenes ist von 1989 und kostete mich damals 1.300 D-Mark – eine Menge Geld für einen Studenten, das erst mal zusammen- und mit einer strengen Ravioli-Diät vom Munde ab-gespart sein wollte. Das „Bullauge“, so sein liebevoll gemeinter Scherzname, belohnte mich dafür mit scharfen Dias und Negativen schon bei Offenblende, leicht abgeblendet ließ die Bildschärfe die Augen jedes Betrachters tränen. An der Digital-Kamera macht sich das Bullauge auch gut, sollte aber wenigstens auf Blende 2 abgeblendet werden. Blende 1.4 sorgt für einen sehr „duftigen“, kontrastarmen oder „weichen“ Bildeindruck, der lediglich als Effekt nutzbar ist. Sehr ausgeprägt sind die Farbsäume, weswegen eine digitale Nachbearbeitung regelmäßig unabdingbar ist. Dennoch: Dieses mechanisch überragende Objektiv ist immer noch klasse und mir lieber als das zugegeben zeitgemäßere, sprich optisch bessere Nikkor AF-S G 1.4/85mm. In puncto Schärfe kann es ab Blende 2 am FX-/Vollformat-Sensor immer noch mit seinem Nachfolger mithalten. Das Objektiv ist nicht ganz einfach zu bekommen und kostet immer noch zwischen 500 und 600 €. Dafür erhalten Sie einen echten Klassiker, der viele Bildergeschichten geschrieben hat.


2. Micro-Nikkor 2.8/55mm AiS: Dieses Objektiv gehört zur kleinen Gruppe von MF-Objektiven, die Nikon immer noch anbietet und auf Anfrage baut. Es ist seit immerhin 1979 im Nikon-Programm und gehört zu den erfolgreichsten Nikkoren. Als Makroobjektiv ist es praktisch verzeichnungsfrei und sehr, sehr scharf. Ich nehme dieses kleine und leichte Objektiv gerne für Produkt-Photos und habe es auch gerne unterwegs im Gepäck, soll dieses tragbar bleiben. An der D800 fehlt es bei Offenblende trotz hoher Schärfe etwas an Brillanz, leicht abgeblendet steigt der Kontrast sichtbar. Dank der ausgezeichneten Fassung ist das Scharfstellen das reine Vergnügen – da kommen die optisch hervorragenden neueren Micro-Nikkore nicht mit. Das 55er ist sehr günstig gebraucht zu bekommen, allerdings sind bei alten Ausführungen häufig die Blendenlamellen verharzt. Es ist meines Erachtens empfehlenswert, eine der neueren Ausführungen, bei denen Nikon anderes Öl verwendete, zu kaufen. Die sind aber etwas teurer.


3. Nikkor 2.8/28mm AiS: Wie das Micro-Nikkor 2.8/55mm AiS ist auch dieses Weitwinkel noch immer im Angebot. Es wurde Ende 1981 vorgestellt und übertrifft optisch sowohl die Vorgänger als auch die Nachfolger. Die Nikon-Objektiventwickler wollten es anscheinend wissen und spendierten dem 28er eine Konstruktion aus acht einzeln stehenden Linsen und der sogenannten CRC-Nahkorrektur. Es zeichnet sehr scharf und brillant – auch an den DSLRs – und lässt sich bis auf 20 Zentimeter scharfstellen. Es wurde mal „das Micro-Nikkor unter den Weitwinkel-Objektiven“ genannt, was aber etwas irreführend ist. Denn trotz seiner Schärfe haben die Digital-Bilder – Analog sieht es anders aus – etwas leicht grobkörniges. Dafür verzeichnet das 28er, im Gegensatz zu Zooms oder den modernen Festbrennweiten, praktisch nicht. Wenngleich ich dem Objektiv etwas untreu geworden bin, weil ich das überragende Leica Elmarit-M 1:2.8/28mm ASPH. bevorzuge, bleibt dieses Nikkor Teil meiner Basisausrüstung.


4. Nikkor 2.8/180mm ED AiS: Ein Nikon-Klassiker, der wie das 85er lange produziert wurde und in Analog-Zeiten das “internationale Standardobjektiv der Sport- und Reportagefotografen war „(Braczko, aaO, Seite 4-78). Meines ist Baujahr 1992, kostete damals 1.499 D-Mark – lange Zeit das teuerste Objektiv, das ich hatte. Es zeichnet dank des ED-Glases sehr scharf und kontrastreich, auf Film schon ohne Weiteres bei Offenblende, an der D800 empfiehlt sich Abblenden um eine Stufe. Ich bevorzuge grundsätzlich kürzere Brennweiten, weswegen ich dieses Objektiv nur noch selten verwende. Ich bin allerdings immer wieder positiv überrascht, was dieses Nikkor mit dem feinen Goldring optisch zu leisten vermag. Für die Konzert-Photographie ist es immer noch gewinnbringend einsetzbar. Sehr gut erhaltene Objektive finden sich meistens für knapp 400 € - ein angemessener Preis.


Wenn Sie Interesse an manuellen Nikkoren haben, kann ich Ihnen einmal mehr den Online-Shop des Berliner Fotografen Norbert Michalke empfehlen: http://nikonclassics-michalke.de/ Dort gibt es regelmäßig sehr schöne Nikkore, wie die von mir beschriebenen. Die machen auch im Digital-Zeitalter Spaß und sorgen für gute Bilder.


Jüngste Beiträge
Stichwortsuche
bottom of page