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Treue Weggefährtin: Praktica BC 1 (Teil 3)


Der dritte und letzte Artikel über die Praktica BC 1 des VEB Pentacon Dresden befasst sich mit den Blitzoptionen der Kamera und ihrem Nahaufnahme-Zubehör.


Praktica BC 1 und Blitzlicht


Die Kamerahersteller machten ab den 1980er-Jahre Riesenschritte bei der Entwicklung einer besonders komfortablen Blitzlicht-Belichtungsmessung. Die sogenannte TTL-Blitz-Innenmessung/--steuerung entwickelte sich mehr und mehr zum internationalen Standard bei den zeitgenössischen Spiegelreflexkameras im Kleinbildformat. Bereits 1976 erstmals von Olympus mit der Kompakt-SLR OM2 serienmäßig angeboten, waren einmal mehr die japanischen Hersteller Vorreiter. Mitte der 1980-Jahre hatten die Japaner bereits einen technologischen Hochstand erreicht, bei dem die DDR-Fotoindustrie gerade mal zaghaft den Fuß auf die unterste Sprosse stellte. So boten die Modelle B 200 und BC 1, welche lange Zeit, von 1979 bis 1987, die Topkameras des Praktica B-Systems waren, in puncto Blitzlicht-Photographie nur frugale Kost: Neben der simpelsten Möglichkeit, ein Blitzgerät über den Steckschuh oder die Kontaktbuchse mit den Kameras zu verbinden und die mechanische Synchronzeit von einer 1/90 Sekunde manuell anzuwählen, ist auch eine automatische Synchronisation möglich. Dafür bedarf es - wie bei jedem Hersteller – eines systemkonformen „Computer“-Blitzgeräts. Steht das Verschlusszeitenrad auf „automatic“, bildet die Kameraelektronik die Synchronzeit bei Erreichen der Blitzbereitschaft automatisch. Eine grüne LED zeigt bei leichtem Druck auf den Auslöser die Bereitschaft des Blitzgeräts an – das gilt auch bei der Verwendung von Festzeiten und den Einstellungen auf das Blitzsymbol sowie „B“. Obschon es sich – die Kenner wissen es – bei diesen beiden Optionen um vergleichsweise schlichte Technik handelt, lässt sich damit gut arbeiten. Der Photograph muss nur das Leitzahlrechnen beherrschen und eine gewisse Blitz-Erfahrung mitbringen. Ich selbst hatte nie ein „systemkonformes Computerblitzgerät“ zu meiner BC 1. Stattdessen verwendete ich - auch an meinen beiden Nikons – ein Metz Stabblitzgerät, dessen hohe Leitzahl, Belichtungsautomatik und Schwenkreflektor für journalistisches Arbeiten ideal war. Die Verbindung mit allen Kameras – Nikon F2, Nikon FM2 und eben Praktica BC 1 – war nach althergebrachter Art und Weise über die Verbindung Synchronkabel/Synchronbuchse hergestellt.

Meine Wahl des Metz Mecablitz 45 wurde aus zwei Gründen maßgeblich beeinflusst: Zum Einen bot Metz mit die besten Fremdblitzgeräte des Marktes an und stellte sogenannte SCA-Adapter für fast alle gängigen Kamera-Systeme her – Praktica allerdings ausgenommen. Zum Zweiten hatten die wenigen Systemblitzgeräte zur Praktica einen sagenhaft schlechten Ruf. Ich erinnere mich an einen Test der Stiftung Warentest, wo das aktuelle Beroflex Praktica B-Blitzgerät wegen mangelhafter und deswegen sogar gefährlicher Elektronik ein vernichtendes „Sehr mangelhaft“ als Urteil bekam. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die in der Bundesrepublik erhältlichen Praktica-Blitzgeräte OEM-Produkte von Fernost-Herstellern für die Exportländer des NSW (Nichtsozialistischer Wirtschaftsraum) waren. Die DDR-eigenen Blitzgeräte kamen immer vom VEB Elgawa Plauen, waren in der Bundesrepublik kaum bekannt und technisch bis zuletzt nicht auf dem Stand der Geräte der internationalen Mitbewerber. Gegen einen „Autofokus-Superblitzer“ (Peter Braczko in „Das Nikon Handbuch“) Nikon SB-24 von 1988 wirkten die Elgawa-Blitzgeräte wie die Trabants der Foto-Elektronik. Dass sich mit einem altertümlichen „Reporter-Blitzgerät Elgapress“ gleichwohl professionell arbeiten lässt, steht auf einem anderen Blatt.

Erst mit der Praktica BX 20 von 1987 gab es dann eine B-Praktica mit TTL-Blitz-Innenmessung. Das passende Top-Blitzgerät kam aber einmal mehr aus Japan: Das blitztechnisch noch wie vor umtriebige japanische Unternehmen Sunpak fertigte das TTL Blitzgerät Praktica 2600 BC, das über Beroflex vertrieben wurde. Als DDR-Alternative gab es allerdings mit dem Praktica BT 225 einen passabel ausgestatteten Kompaktblitz, der immerhin über einen Schwenkreflektor verfügt. Aus eigener Praxis kenne ich weder das Sunpak- noch das VEB Elgawa-Gerät. Kaufen würde ich weder das eine noch das andere . Stattdessen überzeugt mein anscheinend unverwüstlicher Metz nach wie vor – von seiner enormen Größe und seinem beträchtlichen Gewicht mal abgesehen.


Das Nahaufnahme-Zubehör des Praktica B-Systems


Jedes Kamerasystem, das etwas auf sich hält, hat auch Nahaufnahme-Zubehör im Angebot. Selbstverständlich bot der VEB Pentacon Dresden für seine Kameras – die Praktica L-Reihe, die Pentacon Six TL und die B-Prakticas – maßgeschneiderte Geräte für die Nah-Photographie an. Das modernste Zubehör gab es für das Praktica B-System, denn damit konnten die Pentacon-Ingenieure erstmals die technische Überlegenheit der „elektrischen Blendenwert-Übertragung“ (siehe dazu ausführlich Teil 1) ausnutzen. Das auszugsverlängernde Zubehör, namentlich die beiden Bajonettzwischenringe und das „Automatische Balgennaheinstellgerät“ sind mit den drei Goldkontakten für die Übertragung des Blendwerts an die Kamera-Elektronik ausgestattet. Folglich ist die TTL-Belichtung mit Zeitautomatik bei Makroaufnahmen ebenso präzise möglich wie bei Standard-Anwendungen, das Scharfstellen erfolgt stets bei Offenblende, eine Schärfentiefenkontrolle geschieht über den Abblendschieber. Während dies alles bei der Verwendung von Zwischenringen auch die Mitbewerber geboten haben, gebührt dem VEB Pentacon Dresden die Ehre, als einer der ganz wenigen Hersteller ein derart ausgestattetes Balgengerät im Programm gehabt zu haben. Nikon beispielsweise hatte seinerzeit, also in den 1980er-Jahren, das weltweit umfangreichste Kamerasystem geschaffen. Zu einem Automatik-Balgengerät reichte es nie – stattdessen mutet der Hersteller seinen Kunden bis heute die umständliche Operation mit Doppeldrahtauslösern zu. Dass auch das Nikon F AiS-System mehr Komfort bieten kann, bewies der deutsche Hersteller Novoflex mit seinem automatischen Balgengerät „Balnik AI“, das aber inzwischen auch nicht mehr hergestellt wird.

Das automatische Balgennaheinstellgerät des Praktica B-Systems war von Anfang an im Zubehörprogramm des B-Systems und sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik vergleichsweise einfach zu bekommen. Das Gerät ist vergleichsweise leicht gebaut, ohne dass es zu Schärfe-Problemen beim Photographieren kommen würde, und theoretisch auch aus der Hand einsetzbar. Nun, Nahaufnahmen mit Balgengerät ohne Stativ halte ich persönlich für ein gewagtes Unterfangen, auf das ich mich noch nie eingelassen habe.

Die Auszugsverlängerung lässt sich stufenlos von 35 bis 140 Millimeter einstellen, eine Skala informiert über die aktuelle Einstellung. Der Balg wird über zwei Stellschrauben, von Werner Wurst im B-Büchlein „Kleiner Ratgeber Praktica BC 1 / B100“ als „Triebknöpfe“ bezeichnet, aus- oder eingezogen. Wahlweise ist die Stellung des Kamera- oder des Objektivträgers veränderbar, eine jeweils zugewiesene Feststellschrauben arretiert die Einstellung. Das Balgengerät hat, wie es sich gehört, einen eigenen Einstellschlitten mit zwei Stativgewinden, was die Feineinstellung der Schärfe bei Stativ-Montage der Kamera-Balgen-Objektiveinheit sehr erleichtert und angenehm macht. Einen separaten Einstellschlitten vergleichbarer Machart bot der VEB Pentacon Dresden für Photographen an, denen das Balgengerät zu unhandlich, vielleicht auch zu teuer war und die deswegen die kostengünstigeren Zwischenringe wählten. Folgende Abbildungsmaßstäbe sind mit dem Balgengerät erzielbar:

  • mit dem Standardobjektiv Prakticar 1,8/50: 0,7 bis 2,8

  • mit dem Kurztele Prakticar 1,8/80: 0,26 bis 1,75

  • mit dem Teleobjektiv Prakticar 2,8/135: 0,26 bis 1,04

Bestenfalls wird das Balgengerät mit dem ausgezeichneten Macro-Prakticar 2,8/55 (siehe dazu ausführlich Teil 2) verwendet. Die erzielbare Bildqualität kann durchaus mit den Systemen der großen Japanern mithalten. Ich machte in den 1990er-Jahren viele Sachaufnahmen von Schmuckstücken, Münzen oder Briefmarken auf Kodachrome 25. Diese Dias beeindrucken bezüglich Schärfe noch heute und müssen sich nicht hinter den Aufnahmen mit Nikon Ausrüstung verstecken. Auch die jüngst mit Fujichrome Velvia 50 gemachten Dias sind absolut überzeugend – Bravo Praktica!

Das automatische Balgennaheinstellgerät wird auf dem Gebrauchtmarkt für unter 100 € - selbstverständlich in technisch einwandfreiem Zustand gehandelt. Meines Erachtens ein guter Preis für das zentrale Gerät einer Praktica B Nahphotographie-Ausrüstung. Es gibt auch noch einen dezidierten Diakopier-Vorsatz, der aber etwas seltener als das Balgengerät ist und vermutlich deshalb einen vergleichbaren Gebraucht-Preis aufruft.


In der Nahaufnahme-Praxis hilft es, da die BC 1 keine Spiegelvorauslösung bietet, mit dem Selbstauslöser zu arbeiten. Allerdings sollte der Praktica B-Winder ausgeschaltet sein, anderenfalls macht die Kamera nämlich vier Aufnahmen hintereinander. Da Filmmaterial teuer ist, muss das nicht sein.

Die Zeitautomatik der Kamera erweist sich auch bei der Makro-Photographie als sehr verlässlich, allerdings sollte, ist die Kamera auf dem Stativ moniert, das Sucherokular stets mit der mitgelieferten Okularabdeckung verschlossen sein – anderenfalls eindringendes Licht das Messergebnis verfälschen. Zur Not ist das Okular auch händisch abdeckbar. Das weiß ich, da ich das Plastteilchen schon vor Jahren verlor, bei einem Praxistest vor wenigen Wochen behalf ich mich erfolgreich mit meinem rechten Daumen.

Wer, beispielsweise bei der Montage am Reprogerät, nach noch mehr Einstellkomfort verlangt, sollte sich nach dem Winkelsucher umsehen, den es gebraucht für etwa 40 € gibt. Er gestattet die Betrachtung des Sucherbildes im rechten Winkel und damit ohne akrobatische Verrenkungen, mit einer Dioptrieneinstellung im Bereich von ±6 Dioptrien lässt sich Fehlsichtigkeit ganz gut kompensieren. Apropos Reprogerät: Das Pentacon Reprogestell ist zwar äußerlich ein typischer Repräsentant des DDR-Designs und nicht eben schön zu nennen. Es ist dafür aber stabil gebaut, bietet in der Grundausstattung Grundbrett sowie Beleuchtungseinrichtung und sollte wesentlich günstiger zu erwerben sein als vergleichbare Geräte aus deutscher oder japanischer Produktion.


Damit endet meine dreiteilige Beschreibung des Praktica B-Systems im Allgemeinen und im Besonderen der Erfahrungsbericht zu meiner treuen Praktica BC 1, die ich nie hergeben würde – dafür haben wir beide zuviel durchgestanden und vor allem so viel Schönes erlebt.

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